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Autismus-Forschung und -Diagnose unter Einbeziehung des "Innenlebens"

Autismus-Forschung und -Diagnose unter Einbeziehung des "Innenlebens"

Autismus: eigene Erfahrung
Diagnose

Autismus-Forschung muss Autisten verstehen - nicht von außen drauf schauen.
Erschreckend finde ich den aktuellen Stand der Forschung, den Frau Prof. Dr. Inge Kamp-Becker auf dem dgppn Kongress 2023 vorstellte, dass wenige Kriterien genügen würden, um Autismus zu diagnostizieren - bei Frauen seien es sogar nur 5. Beobachtet wird das Verhalten. Primäre Kriterien seien 1. Blickkontakt, 2. Mimik, 3. Gestik.

Aber besonders hochfunktionale Autisten trainieren sich von klein auf an, in sozialen Situationen zu funktionieren, so dass autistische Aspekte im Verhalten eben genau nicht mehr von außen zu identifizieren sind.
Dr. Devon Price spricht in "Unmasking Autism" von "masked Autism", der nicht zum Bild in den meinsten Diagnose-Tools passt. "Autism .. can manifest in many different ways. .. Instead of looking to the external signals of Autsim that others might pick up on, it's important that we instead focus on the neurobiological markers of the neurotype, and the internal experiences and challenges that Autistic people themselves report."
Analog schreibt Brit Wilczek zu ihrem Seminar "Klinische Autismus-Diagnostik unter Einbeziehung des/der Klient*in": "Störungen des Autismus-Spektrum sind außerordentlich vielfältig in ihrer Ausprägung und in ihrem Erscheinungsbild. Dies macht die Diagnostik nach rein äußeren, beobachtbaren Kriterien, wie sie in standardisierten diagnostischen Instrumenten abgefragt werden, schwierig und letztlich sogar ungenau." (Quelle: wilczek-autismus.de)

[Übersetzung der Moderation: Autismus ... kann sich auf viele verschiedene Arten manifestieren. ... Anstatt auf die äußeren Signale von Autismus zu achten, die andere vielleicht aufgreifen könnten, ist es wichtig, dass wir uns stattdessen auf die neurobiologischen Marker des Neurotyps und die inneren Erfahrungen und Herausforderungen konzentrieren, von denen autistische Menschen selbst berichten.]

Kommentare

Gespeichert von Ilse am Do., 07.03.2024 - 19:39

Auf Rückfrage der Moderation hier meine Frage zum Beitrag:

Wie kann das Erforschen - und dafür auch die Einordnung bzw. die Diagnose - von Autismus gestaltet werden, damit dem Phänomen Autismus entsprochen wird?
Meiner obigen Ausführung nach ist das gängige Verfahren für einen großen Teil des Spektrums, insbesondere für Hochfunktionale, ungeeignet.
Auch die Diskussion um ICD-11 zeigt, dass der Versuch, die Kriterien in herkömmlicher Weise zu verbessern, zu einer weicheren Beschreibung geführt hat, die als zu unspezifisch kritisiert wird.

In den beiden nächsten Kommentaren beschreibe ich zwei Ansätze (die 1500 Zeichen genügen sonst nicht).
Man könnte jeden Ansatz natürlich als eigenen Betrag für jeweils ein eigenes Forschungsthema formulieren, aber da das Thema für mich zusammen gehört, möchte ich die Ansätze gern hier mit aufführen.

Gespeichert von Ilse am Do., 07.03.2024 - 19:41

Vorschlag 1 für einen Ansatz:
Price nennt neurobiologische Marker (siehe obige Hauptbeschreibung des Beitrags). D.h. meine Frage wäre, welche physiologischen Tests (Hirnscans, Blut-Tests) können diagnostisch genutzt oder weiterentwickelt werden?

Ich habe gehört, dass es gegen physiologische Tests generell Vorbehalte gibt, deshalb habe ich den Beitrag "Spricht etwas gegen physiologische Test, um Autismus zu diagnostizieren?" als eigenes Thema eingestellt.

Meiner Recherche nach, gab es bis 2018 bereits Erfolge bei Hirnscans und verschiedene vielversprechende Kandidaten für Bluttests (https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/diagnose-technik-hirnscan-ve…, www.scinexx.de/news/medizin/autismus-diagnose-per-bluttest, www.esanum.de/today/posts/autismus-neuer-bluttest-erzielt-92-prozent-ge… und psylex.de/entwicklung/autismus/bluttest), aber das wurde anscheinend nicht weiter verfolgt.
Sind Hirnscans zu teuer, dass sie nicht für Diagnose eingesetzt werden?
Welche Bluttests gäbe es und wie könnten sie unterstützen oder weiterentwickelt werden?

Gespeichert von Ilse am Do., 07.03.2024 - 19:45

Vorschlag 2 für einen Ansatz:
Price und Wilczek empfehlen beide, das innere Erleben von Autisten zu untersuchen (siehe obige Hauptbeschreibung des Beitrags).
D.h. meine Frage wäre: Wie könnte man die Innenwelt von Autisten "fassen", um sie als Kriterium zu nutzen?

Mir geht es so, dass ich mit Autisten "connecten" kann, weil es mir scheint, dass das Vorgehen des Denkens ähnlich abläuft wie bei mir (was ich bei Neurotypischen immer als wenig nachvollziehbar empfunden habe).
D.h.: Kann man Beschreibungen finden, wie Gedankengänge und Verarbeitung bei Autisten spezifisch ablaufen?

Zentral wichtig ist dabei, wie ich eingangs erläutert habe, Autisten zu VERSTEHEN! Es funktioniert aus meiner Sicht nicht, wenn Neurotypische versuchen, sich ("von außen") zu erklären, wie sich die gedankliche Logik in Autisten wohl gestaltet.
Als Negativ-Beispiel möchte ich dazu die sogenannte "Zentrale Kohärenz" anführen (de.wikipedia.org/wiki/Zentrale_Koh%C3%A4renz).
Gedankensprünge von Autisten sowie die Schwierigkeit, zu verallgemeinern, werden in Fachkreisen kurz gesagt darüber erklärt, dass im autistischen Gehirn weniger Verknüpfungen angelegt seien (vgl. "autistischer informationsverarbeitungsmodus", van Elst 2019). Hirnscans haben aber ergeben, dass bei Autisten in manchen Bereichen weniger und in anderen Bereichen mehr Verknüpfungen existieren.

PS Vorschlag2:
Die aufgeführten Schwierigkeiten mit Gedankensprüngen oder Verallgemeinerung (viele Bäume = Wald oder bei Kindern: Dackel, Schäferhund, ... alles Tierart Wauwau) lassen sich gut mit den Modellen von Frau Brit Wilczek erklären.
Die vorherrschende Meinung, dass der Grund für die Schwierigkeiten weniger neurologische Verknüpfungen seien (es wurde sogar mit weniger Masse in manchen Hirnregionen untermauert), finde ich sogar unlogisch, zumindest nicht überzeugend. Stattdessen findet bei dieser fehlenden Fähigkeit schlicht weniger Einordnung der "Daten", weniger Festlegung von Mustern und generell wenig Vereinfachung statt, sondern alle Verknüpfungen werden mehr oder weniger gleich hoch bewertet (NICHT weil es weniger Verknüpfungen sind), so dass die angeblich faktisch existierenden Muster eben nicht als gesichert angenommen werden. Es ist eben kein schnelles Einordnen, es werden wenig schnelle Urteile getroffen, wenig Vorurteile angenommen, was Autisten ja alles durchaus von Fachleuten zugeschrieben wird.
Logisch ist doch stattdessen, dass Autisten wegen der geringeren Vereinfachung größere gedankliche Komplexität bewältigen müssen. Das ist genau das, was ich in den Autismus-Selbsthilfegruppen von Betroffenen als alltägliches Erleben vielfältig beschrieben höre. Das scheint mir eine wesentliche autistische Belastung und eine wesentliche Ursache für Überlastung und Überforderung zu sein. Bei Nicht-Hochfunktionalen könnte es ja tatsächlich Fähigkeiten einschränken.

PPS zu Vorschlag 2:
Wenn dabei eine gute Diagnostik von Hochfunktionalen gefunden würde, fände ich eine interessante Forschungsfrage: Könnte man diese Prinzipien auch gut auf Nicht-Hochfunktionale anwenden?
Denn bisher wurden für die Diagnose (wie ich es verstanden habe) Symptome bei auffälligem Autismus untersucht und diese dann auch auf äußerlich unauffälligen Autismus angewandt.
Diese Unauffälligen - also die Hochfunktionalen - wurden dabei als "milde Form" des Autismus betrachtet.
Dieses Vorgehen passt zu der Entwicklung von ICD-10 und ICD-11, wie ich oben angemerkt habe, dass die Kriterien weicher formuliert wurden und für die Diagnostiker nicht mehr ausreichend differenzieren.
D.h. wenn man die Diagnosik bei Hochfunktionalen besser greifen kann, dann könnte man als Forschungsfrage stellen: Kann man den UMGEKEHRTEN Weg gehen und diese Kriterien herunterbrechen auf auffälligen Autismus.

Gespeichert von voll_gestört am Sa., 09.03.2024 - 22:38

Ja, auf solche Sachen wie die angebliche "schwache zentrale Kohärenz" können nur Nichtautisten kommen! (siehe https://zenodo.org/records/4409171)

Bei den MRT-Struktur- bzw. Verteilungstests, kann es gut sein, das die Ergebnisse deutlich schlechter und unschärfer werden, wenn man da noch diverser andere Leute mit psychiatrischer Diagnose zum Vergleich antreten läßt und nicht nur drei Gruppen.

Am Ende hängt das sehr an der Erfahrung des Diagnostikers und das er genügend Zeit zum beobachten hat (kann real schwierig sein), weil das schaffen sogar empathische Laien bei "fast normalen" Frauen, die vorher genügend Autisten erlebt haben.

Wenn man eine Test für die Diagnose erstellen will, sollte man sich aus meiner Sicht auf die gegenüber Nichtautisten andere Verarbeitung von Sozialinformationen konzentrieren.

[Anm. d. Mod.: MRT = Magnetresonanztomographie]

Vielen Dank für Deine Unterstützung. Anscheinend sind wir uns recht einig :-) Allerdings wäre gar nicht in meinem Sinne, wenn man sich auf "Verarbeitung von Sozialinformationen" konzentriert, weil es mich nicht interessiert, erneut aufgelistet zu bekommen, was Autisten angeblich nicht können oder nicht erkennen. In diesen "Sozialinformationen" ist eben nichts eindeutig zu deuten, deshalb "können" es Autisten nicht deuten. Fertig. Sorry!
Es ist ja nicht so, dass sich Neurotypische gegenseitig immer verstehen ;-)))
Mir geht es mehr um das prinzipielle Erkennen, wie autistische Verarbeitung generell abläuft.
Wenn Dir Dein Ansatz am Herzen liegt, könntest Du Deinen Vorschlag ja als eigenen Beitrag einstellen und genauer beschreiben, nicht?
Viele Grüße

Gespeichert von voll_gestört am Mo., 11.03.2024 - 22:49

Ich benutze inzwischen hochfunktional aus Forschungsgründen wieder wie bei den alten Diagnosen. Nicht, weil das Spektrum und die Gemeinsamkeiten der sozialen Probleme falsch wären, sondern weil nach meinen Beobachtungen die alte Aspie-Gruppe Probleme mit logisch-analytischen Fragestellungen aus dem Alltag hat und dafür diese Fähigkeiten aber bei komplexen Sprachsystemen hat, weil von denen gibt es Berichte, daß die mal eben schnell komplizierte Fremdsprachen wie Chinesisch über die Struktur lernen können. Die sollten sich in den sprachlichen Berufen-/Bereichen wie evtl. auch der Linguistik betätigen.

Die andere Gruppe der Spätsprecher scheint sehr heterogen zu sein und da wären auch weitere Daten oder Artikel zur Hi-Level-Denkweise interessant. Ich habe mich auch schon von dem im Moment noch, aus meiner Sicht untauglichen Ansatz verabschiedet, jetzt schon die Gehirnfunktion auf Low-Level-Ebene (z.B. über "Neuronenzählen") verstehen zu wollen, dabei fehlen da sicher noch jede Menge Daten und Befunde, wenn man sich schon das z.B. informationstechnische Versagen bei den "Intelligenztests" an sieht.

Weil da muß man wissen, wie die Informationen im Hirn verteilt werden und ob es noch übergeordnete Kommunikationsprotokolle gibt, weil bisher ist man da nur so weit, das man die Leute in den fMRT schiebt und dann nach sieht, wo typischerweise die meiste Verarbeitung stattfindet, was noch lange nicht heißen muß, daß es am Ende auch die Entscheidende ist!

Gespeichert von voll_gestört am Mo., 11.03.2024 - 23:41

Fortsetzung:

Zum Thema "mit so viel Komplexität, hat ja keiner gerechnet", fallen mir neben dem dem ewig übersehenen "Darm-/Bauchhirn" noch die hübschen, komplexen Signalkaskaden allein schon auf Zellebene ein, wo wohl die Phrarmaforschung wohl vorher auch gedacht hat, daß ja alles ganz einfach ist. Man sollte die Natur nicht unterschätzen!

Warum jetzt die ganze Vorrede bezüglich der Aspies? Weil ich nicht prüfen konnte, ob die Aspie-Fraktion auch vom kleinsten Detail an induktiv rückwärts geht, weil da hab ich nichts finden können, außer die allgemeinen Beschreibungen aus Nichtautistensicht und die Leute das aus den genannten Gründen, die auf Berichten und realen Diskussions-/Erklärungsversuchen mit diesen Leuten basieren, auch nicht gut analysieren können. Kann also sein, daß das Ganze nur für die Spätsprecher (alter HFA-Typ) gilt.

Jedenfalls hat mich der Kohärenz-Quark auch genervt und dann habe ich es logisch durch Selbstbeobachtung rückwärts analysiert und an Hand von Beobachtungen und Erfahrungen diese Theorie gebastelt und ein paar Jahre abhängen lassen, falls ich noch was finden sollte, ja ein paar Autisten und Nichtautisten zum Befragen, hätten das Ganze evtl. noch einfacher/genauer gemacht.

Während der Abhängezeit habe ich dann aus einem Vortrag erfahren, das Temple Grandin zumindest die induktive Denkweise auch schon als bottom-up-thinking beschrieben hat. Siehe https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2677580/pdf/rstb20080297.p…

Gespeichert von voll_gestört am Di., 12.03.2024 - 05:34

Fortsetzung 2:

Weil es nicht in dem Artikel drin steht und ich schon gedacht habe, ich hätte das reinschreiben sollen, damit es vielleicht wer überprüfen kann: Die Detailblindheit beim Nichtautisten tritt in Fällen auf, wo der Nichtautist eigentlich über das Thema Bescheid weiß, also es sehr wahrscheinlich nicht am mangelndem Wissen liegt. Da fallen einem dann später noch ein paar neue Erkenntnisse zum Thema ein und die schiebt man dann freudig als Ergänzung mit kurzer Erwähnung des Bezugspunktes hinterher und bekommt dann als Antwort: "Das hast du mir schon 5x erzählt". Also kann der Nichtautist mit den zusätzlichen Ergänzungsdetails nichts mehr anfangen, weil da offenbar die Kapazitätsgrenze in seinem Hirn erreicht ist, was die Auflösung nach unten in weitere Details an geht. Die Schlußfolgerung, daß das das Gegenstück zur "schwachen zentralen Kohärenz" sein muß ist dann ja eigentlich nur noch logisch.

Gespeichert von voll_gestört am Di., 12.03.2024 - 19:16

Wegen der Sozialinformationen: Dein Beitrag las sich so, als würdest du die Verlässlichkeit der Diagnose als solches erhöhen wollen und da ist das noch das Beste Kriterium wo man ansetzen kann.

Klar ist das Ganze auch eine Frage, wo eigentlich die ganze irrationale Intoleranz, z.B. auch bei anderen sexuellen Orientierungen, her kommt?

Also bist du auch wie ich eher für die Erforschung der Informationsverarbeitung im Grundsatz? Weil das mache ich schon als Hobby-Küchenwissenschaftler. Aus meiner Sicht wird auch zu viel Geld/Ressourcen in die Erforschung der Länge von Holzwegen investiert. bzw. übersieht man die eher interessanten Themen bisher einfach.

Also läuft das Ganze am Ende darauf hinaus, wie man die autistische Sichtweise schon in das Vorsortieren und Verbessern von möglichen Forschungshypothesen einbinden kann, wo ich auch sehr dafür wäre.

Weil das Ganze könnte am Ende und auch bei anderen "Störungen" ja ein evolutionäres Nullsummenspiel sein, also die "Nachteile" werden durch Vorteile an anderer Stelle kompensiert. Aber da braucht man eben passende Grundlagenforschung dafür.

Da benötige ich jetzt zwei Kommentar, da ich gern zu allen Aussagen Stellung nehmen möchte.

Genau, ich bin für die Erforschung der Informationsverarbeitung im Grundsatz :-)
Dankeschön für Deine Erklärung, warum Du Sozialinformationen vorgeschlagen hast! Verstehe. Dieser Vorschlag war gar nicht in meinem Sinne, da ich versuche darzulegen, dass ich nicht erkenne, dass die bestehenden Ansätze selbst zielführend sind.
Zumindest für Hochfunktionale KÖNNEN die Ansätze nicht funktionieren, da Hochfunktionale sich ja genau in ihrem äußeren Verhalten bishin zur völligen Unauffälligkeit angepasst haben.
Und auch für alle anderen im Spektrum sind sich ja alle einig, dass die Diagnose-Verfahren extrem schwierig sind.
Ich schlage vor, - wie man heute sagt - "disruptiv" neue Versuche anzudenken.

Wie Du schreibst, "die autistische Sichtweise" NUR in "Vorsortieren und Verbessern einzubinden", wäre mir zu wenig. Da sehe ich keinerlei Notwendigkeit, sich darauf zu beschränken. Und meinen Vorschlag bereits schon vorab eingeschränkt zu verstehen oder jetzt schon einzuschränken: Bitte nicht! :-)

Die anderen beiden Fragen, die Du aufgeworfen hast, dass "klar" "das Ganze auch" eine Frage, wo Intoleranz her kommt, sei, und ob Vor- und Nachteile sich aufwiegen, hätte ich nicht.
Um kurz zu begründen, möchte ich den zweiten Kommentar anhängen:

Hier meine angekündigten Begründungen, zu Deinen beiden anderen aufgeworfenen Fragen:

Ob Vor- und Nachteile sich aufwiegen, wäre mir keine Forschung wert. Auch nicht, ob es eine Störung ist.
Ich persönlich finde tatsächlich nicht, dass es eine "Störung" ist! :-)
Eine Behinderung meiner kompletten Lebensfähigkeit in allen Bereichen, das wäre meine Bezeichnung.

Und zum Anderen: Wo Intoleranz generell herkommt, ist mir ehrlich gesagt VÖLLIG plausibel. Nur ganz kurz gefasst: Eine Einordnung in "richtig" und "falsch" gibt Orientierung, Zugehörigkeitsgefühl, Gemeinschaft, Gefühl von Sicherheit und Gefühl von Verbindung - alles Grundbedürfnisse - und es vereinfacht und erleichtert alles. Die Psyche braucht Erfüllung von Grundbedürfnissen als Basis und das Gehirn strebt nach weniger Energieaufwand. Deshalb ist es für mich typisches und auch natürliches menschliches Verhaltenmuster, dass alles, was irgendwie anders ist, als "nicht richtig" definiert wird.

Ich wollte mich in meiner Ausführung über "Sozialinformationen" nicht beschweren, dass Andersartigkeit nicht akzeptiert wird, sondern hatte mich über das Thema nur etwas echauffiert, da darauf immer so herumgehackt wird, dass das DAS Erkennungsmerkmal für Autisten sei :-((( Für mich ist es nur ein völlig missverstandenes Symptom. Das hatte ich versucht, zu erklären.
Entschuldigung, dass ich da etwas "aufgebraust" bin! :-)

PS: "Erforschung der Informationsverarbeitung im Grundsatz" war mein "Vorschlag 2 für einen Ansatz". Ich hatte die Forschungsfrage formuliert "Kann man Beschreibungen finden, wie Gedankengänge und Verarbeitung bei Autisten spezifisch ablaufen?"

Gespeichert von voll_gestört am Mi., 13.03.2024 - 22:13

Nein, bei der Einbeziehung meine ich nicht "nur", sondern SCHON, damit eben so etwas wie die "schwache zentrale Kohärenz" oder ähnliches, möglichst früh entsorgt wird, soweit fest steht, das man die Ressourcen besser anders nutzen sollte. Da sollte man interessierte Autisten (Aspies und HFA!) mit einbinden.

Jetzt habe ich auch verstanden, daß du etwas Greifbareres und Verlässlicheres als das, möglicherweise wegkompensierte, eingeschränkte Sozialverhalten als Diagnosekriterium haben willst. Da sollte sich mit mehr Grundlagenforschung zur Informationsverarbeitung oder evtl. auch auf anderen Bereichen etwas finden lassen! Das muß ja nur trennscharf und möglichst genau auf alle Autisten passen, aber nicht auf Nichtautisten.

Um Festzustellen ob sich Vor- und Nachteile aufheben, sollte ja auch nicht geforscht werden, weil das ist ja auch viel zu unbestimmt zum Erforschen. Man sollte nur im Hinterkopf haben, das die Existenz von Menschen wie Autisten vielleicht doch einen Nutzen für die Evolution gehabt haben könnte, also die Medaille zwei Seiten hat! Da meine ich auch nicht das Autismus übermäßig als "toll" glorifiziert werden sollte, wie es manche Autisten, sicher als Reaktion auf die ganze gesellschaftliche Ablehnung, machen.

Danke für Erklärung zum intoleranten Gruppenverhalten! Das die Nichtautisten auch mit irgendwas Denkenergie sparen müssen ist mir klar, die Autisten machen es, meiner Meinung nach, mit Routinen (https://kommit-deutschland.de/node/512).

Gespeichert von voll_gestört am Mi., 13.03.2024 - 23:10

Nur weil ich mich mit einer Gruppe von Menschen, wie auch immer verbunden oder ihr zugehörig fühle, ja das ist wirklich ein Grundbedürfnis, folgt doch daraus nicht zwangsläufig, das man deshalb andere extra bewußt ausgrenzen und diskriminieren muß! Ich zumindest käme da echt nicht auf diese Idee!

Ich dachte auch schon die leidige Störungs-/Behinderungs-Diskussion wäre endlich mal durch, aber da könnte man auch mal forschen, warum sich einige Leute so an den Begriffen stören, statt an der wie auch immer bedingten Intoleranz und Ausgrenzung an sich! [Anm. d. Mod.: entfernt wegen mangelndem Themenbezug].

Kurzfassung: Der Ansatz der westlichen Medizin ist der einer Reparaturwerkstatt. Da geht man hin, wenn man ein Problem hat. Und da wird dann gemessen, überprüft und bei Fehlern, Defekten und Störungen auch schon mal ein Ersatzteil eingebaut. Die Fehler stehen im Service Handbuch und für die Werkstaat würde eine reine Auflistung der Funktionen, wie in einer Bedienungsanleitung, einfach nicht zielführend sein und an der Realität des Werkstatt-Jobs vorbei gehen!
Da es natürlich Sachen gibt, die man nicht ( mehr) reparieren kann, mußte dafür ein Begriff gefunden werden und der ist Behinderung. In der BRD wurde dann noch, per juristischen "Normen"-Festlegung, "Schwerbehinderung" als Untermenge definiert.

Zu "folgt doch daraus nicht zwangsläufig, das(s) man deshalb andere extra bewußt ausgrenzen und diskriminieren muß":
Natürlich nicht zwangsläufig.
Und es funktioniert inner-psychisch auch gar nicht so gut, wenn man es "extra bewußt" macht ;-)
(Es aktiv bewusst zu tun, wäre sehr anstrengend, und auch schwierig, nach außen UND nach innen in einer Selbstverständlichkeit zu bleiben, dass das alles so seine "Richtigkeit" hat.)

Ich habe versucht, (kurz) darzustellen, dass es für Psyche und Hirn so viele Vorteile hat und es (für Neurotypische) so einfach zu übernehmen ist, dass diese Bewertung schlicht sehr oft passiert.
Ich glaube, dass Autisten zum Einen generell wenig vereinfachen (siehe kommit-deutschland.de/node/875) und zum Anderen sich zum Beispiel in solcher Hinsicht gar nicht gut selbst etwas vormachen können, so dass diese Strategie ihnen - wenn sie es versuchen würden - keine Erleichterung bringt.

Gespeichert von voll_gestört am Do., 14.03.2024 - 18:25

"Und es funktioniert inner-psychisch auch gar nicht so gut, wenn man es "extra bewußt" macht ;-)
(Es aktiv bewusst zu tun, wäre sehr anstrengend, und auch schwierig, nach außen UND nach innen in einer Selbstverständlichkeit zu bleiben, dass das alles so seine "Richtigkeit" hat.)"

Wo machen Nichtautisten das bei folgendem Beispiel denn nicht bewußt?:

Autistische Schüler werden ja regelmäßig in der Schule belästigt/geschlagen/gemobbt. Wenn man jetzt annimmt, das es am Anfang Neugier/Angst vor dem Unbekannten/Freude an Realweltexperimenten ist, warum werden die Schüler dann in der Gruppe längere Zeit weiter geärgert, auch wenn man meinen könnte, die Nichtautisten-Gruppe hätte ihre Erfahrungen längst gemacht? Wo ist denn da die angeblich mehr vorhandenen Empathie, wenn in der Horde, vielleicht aus sozialen Gründen des Gruppenzusammenhalts, der Verstand aussetzt?

Wie schon oben bei der Hintergrunderklärung zu meinem Artikel geschrieben, kann man den Wald auch viel genauer über die Bäume beschreiben und aus diesen ab- bzw. herleiten (bzw. weiteren Details, eben induktiv)! Keine Ahnung warum Nichtautisten glauben, wir würden den "vor lauter Bäumen nicht sehen".

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