Direkt zum Inhalt

Diagnostik ADHS bei Mädchen/Frauen verbessern

Diagnostik ADHS bei Mädchen/Frauen verbessern

AD(H)S: eigene Erfahrung
Diagnose

In der Diagnostik von ADHS insbesondere bei Mädchen & Frauen läuft einiges schief und es besteht ein massives Defizit:

- die Fragebögen und Diagnoskriterien beruhen zu stark auf veralteten Annahmen und konzentrieren sich zu sehr auf typische störende Verhaltensweisen die vermehrt bei Jungen auftreten, es wird kaum berücksichtigt, dass insbesondere bei vielen Mädchen durch Sozialisation in patriarchalen Strukturen und gesellschaftliche Normen schon sehr früh Kompensationsmechanismen entwickelt werden welche die aktuellen Diagnosekriterien überdecken. Es werden zu viele Mädchen mit ADHS nicht erkannt oder fehldiagnostiziert bzw die durch das jahrelange Übersehen des ADHS erst im Erwachsenenalter auftretenden Folgeerkrankungen diagnostiziert und dann wirkungslos therapiert (häufige Fehldiagnosen/Folgeerkrankungen: Borderline, bipolare Störung, Depression, Angststörungen, PTBS, Suchterkrankungen, Esstörungen, Demenz)
- es fehlt an Kenntnissen und Verständnis bei Psycholog*innen, Psychiater*innen und (Kinder-)ärzt*innen sowie Pädagog*innen über die Varianz an Symptomen, Verhaltensweisen, Kompensationsmechanismen, neurologischen Aspekte
- es gibt zu wenig Therapieplätze und Spezialisten, zu wenig Diagnostikkapazitäten, zu lange Wartelisten und zu hohe Hürden überhaupt einen Termin für die Diagnostik zu bekommen
- Die medikamentöse Behandlung ist zu stark stigmatisiert

Kommentare

Gespeichert von LM am Fr., 23.02.2024 - 10:06

Von einer ebenfalls betroffenen alleinerzieheneden Frau: In der existierenden Realität stimme ich zu und auch ich kämpfe dafür, Therapieplätze, passende Medikamente, Unterstützung zu bekommen, plädiere jedoch eigentlich dafür, ADHS nicht als Krankeit zu betrachten, Viele von uns sind erfolgreich im Leben, weil sie es geschafft haben, die notwendigen Hürden zu nehmen und eine Nische zu finden. Anderen fehlt ein Zeugnis, Toleranz oder ganz banal das Startkapital, um ein Ziel zu erreichen. Legastheniker können ein Abitur machen, bei dem Ihre Schwäche berücksichtigt wird. Bis jemand mit ADHS erkannt, diagnostiziert, therapiert ist, ist es häufig zu spät. Entweder müssen wir komplett umdenken und die Hürden und Schwellen niedriger machen oder dafür sorgen, daß jeder Betroffene wirklich die konkrete Hilfe bei den Hürden bekommt, die er/sie /es braucht.
Wir sollten aber wirklich lauter darüber diskutieren, ob wir krank sind oder die Umstände, in denen wir zu leben gezwungen sind.
Ich bin absolut überzeugt: Wenn mein Umfeld nicht versucht hätte, eine Bürokauffrau oder Bänkerin aus mir zu machen, sondern mein Wunsch nach einer Ausbildung als Landwirtin o.ä. akzeptiert worden wäre, wäre ich heute kein depressiver, krank geschriebener Sozialfall, sondern ein funktionierender Teil der Gesellschaft.
Wir sind soooo viele, das kann keine Krankheit sein! Würden wir akzeptiert werden, müßten wir nicht oder weniger therapiert werden.

Auch ich meine , dass kranke/krankmachende Gesellschaftsstrukturen für das Entstehen vieler psychischer Probleme verantwortlich sind.
Man denke beispielsweise nur an die Reizüberflutung, das Informstions-Chaos, die Ablenkung vom existenziell Wichtigen, die Herrschaft des Geldes und die Verführung zu sinnlosem Konsum, aber vor allem die Entfremdung und Beschleunigung in der Arbeitswelt.
Es wäre wünschenswert, dass sich die Forschung mehr mit diesen Zusammenhängen beschäftigen würde!

Gespeichert von voll_gestört am Di., 27.02.2024 - 03:25

Das deckt sich mit den Erfahrungen von Helga Simchen, das insbesondere Mädchen mit ADS unentdeckt unterm Radar durchkommen bzw. fehldiagnostiziert werden. Mit allen negativen Folgen.

Gespeichert von Somiyon am Di., 27.02.2024 - 21:45

Ich unterstütze diese Kritik! Bin 33, weiblich und erst jetzt kam der Verdacht auf, dass der Ursprung meines depressiven Leidens unerkanntes ADS sein könnte! Weil ich kein "Zappelphilipp" bin...

Möchte mich auch anschließen.
ADHS Diagnose mit 50… davor Behandlung auf Depression mit Angststörung. Bin froh über die Diagnose, aber was im Rückblick hätte anders laufen können tut schon weh. Bekomme eine EU- Rente, hadere aber immer wieder damit. Therapieplätze mit Therapeut/innen, die sich mit ADHS auskennen scheint es kaum zu geben.

Gespeichert von Minze am Fr., 08.03.2024 - 09:13

Hab noch etwas vergessen:
gerade bei den späten Diagnosen braucht es Nachfragen vom Diagnostizierenden.
Durch jahrelanges, energiezehrendes Masking sind einem viele Probleme gar nicht mehr bewusst, das bedeutet, dass man bei den standardisierten Fragebogen teilweise Sachen nicht ankreuzt. Z.B „unterbreche ständig Leute im Gespräch“. Das mache ich tatsächlich ausgesprochen selten, aber wie gerne würde ich. Und wieviel Kraft mich das kostet es nicht zu tun. Die Sozialisation biegt einen da doch hübsch irgendwohin.

Gespeichert von Oacyt am Di., 12.03.2024 - 21:43

Ganz wichtiges Thema! Oft ist die Symptomausprägung sichtbar geringer durch die ganze Kompensation, sodass viele von „leichtem“ ADHS ausgehen - oder häufiger gar nicht erst darauf kommen oder ADHS ausgeschlossen wird mit Worten wie „Wenn Sie das alles schaffen, können Die kein ADHS haben“ - obwohl der Leidensdruck viel höher sein kann als bei Männern, die vielleicht äußerlich auffälliger sind - durch den Druck zu kompensieren und die damit einhergehende Erschöpfung; auch weil viele Care-Tätigkeiten, die in unserer Gesellschaft weiterhin überwiegend an Frauen hängen bleiben, besonders viel exekutive Funktionen abverlangen (Stichwort „mental load“), was also die Anforderungen an das ADHS Gehirn erhöht. Das alles bei der Sozialisierung, möglichst sozial erwünscht zu sein führt oft zum Kollaps. Das Burnout, die Depression oder Angststörung werden dann erkannt, das ADHS dahinter leider zu selten.

Gespeichert von Ella am Mi., 13.03.2024 - 17:40

Habe ein richtig gutes und empfehlenswertes Buch dazu gelesen: "ADHS ist kein Makel" von Edward M. Hallowell und John J. Ratey

Cookies UI